Der Große Nordische Krieg
Der Große Nordische Krieg war einer der wichtigsten
militärischen und politischen Ereignisse des 18.
Jahrhunderts. Dieser Krieg bestimmte nicht nur das
Schicksal der Ukraine sondern von ganz Nordeuropa.
Die extrem streitsüchtige Außenpolitik
der Vorgänger
Karl XII.,
insbesondere die seines Großvaters,
Karl X. Gustav,
trug dazu bei, Schweden in eine Großmacht zu
verwandeln, die die meisten der Länder im
Ostseeraum beherrschte. Das Hauptziel
Karl XI.,
des Vaters von Karl XII., war die Stärkung der absoluten
Monarchie und das Wachstum der
schwedischen Wirtschaft. Gleichzeitig verursachte
Schwedens ununterbrochen aggressive
Außenpolitik Ärger und Unbehagen in
vielen europäischen Ländern.
Russland litt auch unter der angriffslustigen
Politik des Nachbarn im Norden,
besonders nachdem es 1617 dazu gezwungen wurde,
einen Friedensvertrag zu unterschreiben,
der Russland jeglichen Zugang zur Ostsee versperrte. Nachdem
Peter I. der Große
alle internen Hindernisse überwunden hatte und
den Thron bestieg, wurde die Wiedergabe
der früheren russischen
Besitztümer an der Ostsee eines der wichtigsten
Ziele seiner Außenpolitik. In den
Jahren 1699 und 1700 schloss Russland Bündnisse
mit Polen-Sachsen und Dänemark.
Im August 1700, kurz nach dem Friedensvertrag mit der
Türkei, erklärte Russland
den Schweden den Krieg. Der Große Nordische
Krieg, der 21 Jahre dauerte, begann.
König Karl XII. bewies sich trotz seiner Jugend
(er war erst 18 am Anfang des Krieges) als
ein würdiger Nachfolger der schwedischen
Krieger-Könige.
Er war ein begabter Militärstratege und ein
inspirierender Befehlshaber. Es war sein Ziel
seine Feinde – einen nach dem anderen - zu besiegen.
Sein erstes Ziel war Dänemark.
Nach einem Überraschungsangriff auf die Stadt
Kopenhagen und andere dänische
Stützpunkte zwang er Dänemark zu einem
Friedensvertrag mit Schweden, dem Abbruch aller
Bündnisse mit Russland und Polen und die
Bezahlung erheblicher Vergeltungsmaßnahmen.
Nach dem Sieg über Dänemark verlegte er
seine Armee nach
Riga,
belagerte die Stadt, und besiegte dann am 19.
November 1700 die Russische Armee in der Schlacht bei
Narwa,
der ersten großen Schlacht des Nordischen Krieges.
(Karte der Schlacht bei Narwa)
Jedoch machte der
schwedische König
einen Fehler, als er es ablehnte, die geschwächte
russische Arme weiter zu verfolgen. Stattdessen verbrachte
er sieben Jahre damit, die Armeen von
August dem II.
zu bekämpfen. Das gab dem
russischen Zar die Möglichkeit, seine Streitkräfte
umzuorganisieren und modernisieren und sie der
europäischen Norm anzugleichen.
Als Karl XII. endlich Polen-Sachsen besiegte
und August II., den polnischen König, dazu zwang zu Gunsten
Stanislaus Leszczinskijs
abzudanken, das Bündnis mit Russland abzubrechen und den
Altranstädter Frieden
zu unterschreiben, hatte Peter der Große inzwischen
seine Armee in eine leistungsfähige Kampftruppe umgebildet.
1704 machten die russischen Siege in den Schlachten bei
Narwa
und Dorpt es klar, dass Russland ein gefährlicher
Gegner Schwedens sein würde. Dennoch setzte Karl XII.
weiterhin seinen Vorstoß in die russischen Territorien
fort. Im Sommer 1708 benötigte die schwedische
Armee dringend Proviantnachschub und Munition.
Eine Division unter der Führung von
General Lewenhaupt
hatte den Befehl erhalten, die dringend nötigen Vorräte
aus Riga zu transportieren. In Erwartung des Nachschubs, entschied
sich Karl die Berezina zu überqueren und begann seine
Truppen in Richtung Moskau zu bewegen. Lewenhaupts
Division wurde aber in der Schlacht von
Lesnaya
von russischen Truppen geschlagen, und der gesamte
Nachschub ging damit verloren.
Anstatt den Nachschub zu liefern, kam Lewenhaupt mit
6.000 genau so hungrigen Überlebenden an.
Karls einzige Wahl war, seine Armee gegen Süden in die Ukraine zu treiben um dort
Proviant zu sichern.
Als sich der Krieg zwischen Russland und Schweden intensivierte, versuchte der
Kosakenhetman Iwan Masepa
die Ukraine zu sichern. Er hatte gehofft, dass Russland und Schweden
ihre letzte Schlacht irgendwo außerhalb der Ukraine schlagen
würden, aber als der schwedische Verbündete Stanislaus
Leszczinskij anfing die Ukraine zu bedrohen, bat Hetman
Masepa Peter der Großen um Hilfe. Der russische Zar,
der mit den Vorbereitungen für seine unvermeidliche
Schlacht gegen Schweden beschäftigt war, lehnte
Masepas Bitte ab.
Das war für Masepa eine Beleidigung, die er nicht
hinnehmen konnte. Der Kosakenführer wertete Peters
Hilfeverweigerung als ein Bruch des russisch-ukrainischen
Paktes von 1654 und
meinte deswegen, dass die Ukraine das Recht hätte
in ihrem eigenen Interesse zu handeln.
Im Oktober 1708 verbündete sich Masepa
mit dem Schwedenkönig Karl XII., und schloss einen
militärisch-politischen Pakt mit Schweden. Etwa 3.000 Kosaken
schlossen sich ihm an. Dem Pakt gemäß
verpflichtete sich Schweden die Ukraine militärisch zu
unterstützen und keinen Friedensvertrag mit Russland zu schließen
bis die Ukraine völlig befreit und all ihre Rechte
wiederhergestellt waren. Des Zaren Gegenschlag auf Masepas
Entscheidung war schnell und unbarmherzig.
Fürst Menschikow,
einer der Befehlshaber des Zaren, zerstörte Baturin, die
Hauptstadt des Hetmanats und massakrierte alle Einwohner.
Diese Begebenheit zwang viele der potentiellen Anhänger Masepas,
ihre Situation neu zu überdenken und ihre Bündnisse
wieder zu ändern.
Nach einem extrem harten und strapazierenden Winter
erreichte die Schwedische Armee Poltawa am Anfang April 1709.
Hier fand die entscheidende Schlacht des Großen Nordischen
Krieges am 27. Juni 1709 statt. Die Schwedische Armee erlitt eine
vernichtende Niederlage mit etwa 6.900 Toten und Verwundeten.
Der Rest der Schwedischen Armee unter dem Befehl von
General Lewenhaupt, kapitulierte am 30. Juni 1709 in der Nähe
von Perewolochnaja. Etwa 6.000 Schweden wurden gefangen genommen.
Dem König und Hetman Masepa gelang es mit einer kleinen
Truppe zu entfliehen und in Moldawien
(damals ein Teil des Reiches des türkischen Sultans
Ahmed III.
) Obdach zu finden.
Aber des Königs Flucht beendete nicht den Krieg.
Der wurde noch für
neun Jahre weitergeführt. In den letzten Jahren
des Krieges verlegte sich der Kampf in die baltischen
Ostseegebiete. Die Russische Flotte dominierte die
schwedische und trug zur
vollständigen Niederschlagung Schwedens bei.
Am 30. August 1721 unterschrieben Russland und Schweden den
Friedensvertrag von Nystad.
Russland gewann Kontrolle über Livland,
Estland, Ingermanland und ein Teil Kareliens.
Der Große Nordische Krieg beendete Schwedens
Position als die herrschende Macht in Nordeuropa und dem Ostseeraum.
Diese Position wurde von Russland übernommen. Für
die Ukraine beendete der Krieg alle Hoffnungen auf Unabhängigkeit.
Nach dem Sieg über Schweden war die Vollintegrierung des
Kosakenstaates in das mächtige russische Reich
einfach nur eine Frage der Zeit.
Die Schlacht bei Poltawa
Der harte Winter 1708/1709 und eine Serie von militärischen
Niederlagen hatten zur Folge,
dass die Lage der Schwedischen Armee sehr prekär wurde.
Im Spätapril des Jahres 1709 entschloss sich Karl der XII.
die Festung Poltawa zu belagern.
Obwohl die Schwedische Armee 31.000 Mann stark war, entschied sich
der König nur 4 Kanonen und ungefähr 6.000 Soldaten
einzusetzen. Die schwedische Armee blockierte alle Zugänge
zur Stadt, einschließlich der etwaigen
Zuweg der Russen über die Worskla. Im Vergleich dazu
bestand die Russische Armee unter dem Kommando des Zaren aus
49.000 Soldaten und 130 Kanonen. Am Abend der
Schlacht hatten die Russen daher einen erheblichen
zahlenmäßigen Vorteil.
Als Zar Peter I. am 5. Juni von der Festung Azow kommend,
mit seiner Armee zusammentraf, bechloss er die Truppen an
die Westbank der Worskla zu verlagern. Am
20. Juni überquerten die russischen Truppen die Worskla
in der Nähe der Dörfer Petrowka und Semjonowka.
Die Armee marschierte weiter nach Süden
und errichtete in der Nähe des Dorfes Jakowtzy ihr
Lager.
Vor dem Lager befand sich ein Kilometer breites Freiland mit trockenem,
sandigem Boden. Dieses Land grenzte
an den Budyschenski-Wald. 100 m südlich des Lagers
lag der Yakowtzy-Wald, ein grünes Gebiet mit
Bächen und Wasserrinnen.
Zwischen diesen Wäldern
bauten die Russen 10 Redouten zur Verteidigung des
Lagers. Jede Redoute bestand aus einem hohen
Erdwall mit einem vorgelagerten Graben. Die Redouten waren mit 4.000
Infanteriesoldaten (8 Bataillone) besetzt und hatten
16 Geschütze.
Am Abend vor der Schlacht traf die Schweden das
Unglück. Karl der XII. war auf einer
Erkundung unterwegs, als er in einem kurzen
Gefecht verwundet wurde. Dieser
unglückliche Vorfall beraubte die Schweden
ihres charismatischen und fähigen Führers –
und noch wichtiger – ihres Glücksbringers für den Sieg.
Obwohl der König weiterhin nominal die Armee leitete,
musste er das direkte Kommando an
Feldmarschal Rehnsköld
abgeben.
Der Plan der Schweden war einfach. Die Armee sollte während
der Nacht im Süden der russischen Schanzen Stellung aufnehmen,
und vor dem Morgengrauen
die Redouten überwältigen. Die Infantrietruppen unter
der Führung von Lewenhaupt sollten als erste die Redoutenlinie
passieren; nach ihnen sollte die
Kavallerie kommen. Die Infanteriesoldaten sollten dann ihren Angriff
auf die Russen in ihrem Festungslager durchführen.
Die 18 schwedischen Bataillone waren in vier Truppen aufgeteilt,
unterstützt von einer Batterie von vier Kanonen. Die schwedische
Infanterie nahm ihre Position kurz nach
Mitternacht ein. Ihre Stellung lag etwa ein Kilometer südlich
von der ersten russischen Redoute entfernt, von der man Sägen
und Hämmern hören konnte. Und da
warteten sie. Als die Kavallerie endlich nach zwei Stunden nachzog,
fing es schon zu dämmern an. Diese Verspätung der
schwedischen Truppen
machte das Überraschungsmoment der Aktion zu Nichte.
Nach einer Beratung mit seinen wichtigsten Feldherren
entschloss sich der König, die Attacke trotzdem
durchzuführen. Es war etwa 4 Uhr morgens.
Die Schlacht hatte begonnen.
Karten der Schlacht bei Poltawa
Am Anfang der Schlacht marschierten die Schweden kühn
gegen die russische Front. Zwei noch nicht fertig gebaute Redouten
wurden schnell überwältigt
und alle Verteidiger getötet. Aber der erste Erfolg fand schnell
ein Ende. Der Angriff an die dritte Redoute wurde zurückgeschlagen,
und die Toten lagen übereinander
in dem Graben, der die Redoute umringte.
Die russischen Dragoner zogen sich nach Norden zurück,
verfolgt von beiden Flügeln der Kavallerie. General
Lewenhaupts Infanterietruppe versuchte die Russen anzugreifen
und erreichte dabei die südliche Ecke des russischen Lagers.
Aber der schwedische Angriff verlor schnell an Kraft, da Rehnsköld
die Infanterie sowie die aufziehende Kavallerie
zur Umorganisation zurückrief. Die Lage verschlimmerte sich
noch dadurch, dass das schwedische Bataillon
unter der Führung von
General Roos
nicht von dieser Strategie informiert wurde und deshalb von dem Rest der
schwedischen Truppen getrennt wurde. Als eine Kolonne von etwa
4.000 russischen Nachschubtruppen die befestigten
Positionen wieder besetzte, saßen General Roos und seine
Soldaten in der Falle.
Mit über 1.000 Toten und wenig Munition war General
Roos dazu gezwungen sich
in den Süden zurückzuziehen, und später
seine Befehlsgewalt zu übergeben.
Wegen der schlechten Kommunikation verlor die
Schwedische Armee ein Drittel der Infanetrie bevor die
Schlacht selbst angefangen hatte.
Die Schweden verschoben einen weiteren Einsatz,
während sie auf die Rückkehr
von General Roos warteten. Um etwa 10 Uhr, als
die russische Infanterie anfing, ihr
befestigtes Lager zu verlassen, beschlossen
auch die Schweden gegen den Gegner zu
marschieren. Wegen ihrer zahlenmäßigen Überlegenheit
war die Front der Russen 400 bis 500 m breiter, als die der Schweden.
Dazu kam, dass die Flanken der Schweden
nicht genügend abgesichert waren.
Als die schwedische Infanterie sich den
russischen Truppen bis auf 200 m genähert
hatte, fingen die russischen
Artilleriegeschütze an zu schießen.
Der Effekt dieser Kanonade war einem
Hagelschauer gleich, der ganze Reihen von Soldaten
ummähte.
Während der rechte Flügel der Schwedischen
Armee von der russischen
Artillerie zurückgedrängt wurde,
überwältigte die russische
Kavallerie
die linke Flanke der Schweden. Die schwedische
Kavallerie versuchte vergebens
für die Infanterie Zeit zu gewinnen. Die
Soldaten des schwedischen Königs fingen
an, von dem Schlachtfeld zu fliehen. Die Schlacht
glich einem Gemetzel, obwohl
es noch nicht einmal 11 Uhr war. Karl der XII. hatte
keine Alternative, als
den Rest seiner Truppen
zusammenzurufen, den Rückzug nach
Süden anzutreten und damit die
Belagerung Poltawas aufzugeben. Über
6.900 schwedische Soldaten starben
an diesem Morgen auf dem Schlachtfeld. 2.800
weitere Soldaten wurden gefangen
genommen. Die russischen Verluste wurden auf
1.345 Tote und 3.200 Verwundete
geschätzt.
Einige Trophäen, inklusiver der Stich- und
Schusswaffen, Fahnen, Trommeln
und Trompeten, die die Russische Armee in
Poltawa erbeutet hat, wurden später
an die
Waffenkammer
des Kreml überreicht.
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